Unheilpraktiker by Mueller Anousch

Unheilpraktiker by Mueller Anousch

Autor:Mueller, Anousch
Die sprache: deu, deu
Format: epub
Herausgeber: Riemann Verlag
veröffentlicht: 2016-03-14T16:00:00+00:00


Anthroposophische Medizin

Die Anthroposophische Medizin hat ihre Ursprünge in der theosophischen Lehre des Österreichers Rudolf Steiner (1861–1925). Steiner studierte Philosophie und Naturwissenschaften, war aber kein Mediziner. Um die Jahrhundertwende kam Steiner mit esoterischen Zirkeln in Kontakt. 1912 gründete er die Anthroposophische Gesellschaft. In den folgenden Jahren beschäftigte er sich mit medizinischen Fragen und entwickelte gemeinsam mit der niederländischen Ärztin Ita Wegman (1876–1943) die anthroposophische Heilkunde. Steiner zufolge ist die Anthroposophie »ein Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltall führen möchte«. Interessanterweise richtet sich die Anthroposophie nicht gegen die konventionelle Medizin, sondern versteht sich vielmehr als eine geistige Erweiterung.

Aus anthroposophischer Sicht gliedere sich der Mensch in vier Ebenen, die sogenannten Wesensglieder: den physischen Leib, den ätherischen Leib, den astralischen Leib und das anthroposophische Ich (die Ich-Organisation). In der anthroposophischen Heilkunde werden Krankheiten als gestörtes Gleichgewicht der Wesensglieder zueinander verstanden. Alle Krankheiten wer-den aus anthroposophischer Sicht entsprechend den vier Wesenskräften in vier Typen eingeteilt: Physischer Leib – skleroseartig, Äther-Leib – geschwulstartig, Astral-Leib – entzündungsartig, Ich-Leib – lähmungsbedingt. Wenn eines der vier Wesensglieder stark überwiege, gerate das gesamte System in ein Ungleichgewicht. Dieses entstünde z.B. durch falsche Ernährung oder falsche Erziehung. Mit der Waldorf-Pädagogik entwickelte Steiner eine auf anthroposophischen Grundsätzen fußende Erziehungsmethode.

Krankheit hat nach Steiner auch eine »karmische« Komponente. So drückten sich seelische und geistige Verfehlungen des Vorlebens in aktuellen Symptomen aus. Darüber hinaus haben Krankheiten in der anthroposophischen Medizin auch eine positive Funktion. So führten Krankheiten zu einer geistigen Höherentwicklung. Das ist auch der Grund, warum in der anthroposophischen Medizin Impfungen zumeist abgelehnt werden. Selbst schwerwiegende Infektionskrankheiten, verharmlosend als »Kinderkrankheiten« bezeichnet, dienten der Entwicklung des Kindes. Diese Einstellung wurde auch an der Heilpraktikerschule von Dozenten geteilt. Aber nicht nur Heilpraktiker verbreiten diesen gefährlichen Irrsinn. Auch anthroposophisch orientierte Ärzte stehen Impfungen kritisch gegenüber. So kommt es immer wieder zu Masernepidemien im Umfeld von Waldorf-Einrichtungen.

Im September 2015 erschien in der Waldorf-Zeitschrift Erziehungskunst unter dem Titel »Masern zwischen Mut und Meinung« der Beitrag einer Mutter, die die Masernerkrankung ihrer Töchter als Erweckungserlebnis feierte.36 Darin zitierte sie einen anthroposophischen Arzt: »Er sagt einen Satz, der mich nachhaltig beeindruckt: ›Masern durchmachen ist wie in die Berge gehen.‹ Ich denke nach. Wie ist es, in die Berge zu gehen? Es ist ein steiniger Weg, der zum Gipfel führt, anstrengend und mühevoll, ein schmaler Grat. Mit Ehrfurcht erfüllt mich der Berg. Manche sind umgekehrt. Manche haben es nicht geschafft. Jeder Atemzug, jeder Schritt kann schmerzen, kann sich aber auch lohnen.« Die Mutter beschreibt das Martyrium ihrer Töchter, wie sich die Situation verschlechtert, bis sie schließlich die Notärzte rufen muss. Die Mutter macht sich lustig über das »Seuchenkostüm« des »Ufoteams«. Im anthroposophischen Krankenhaus »erfreuen sich [die Ärzte] an den schönen sich ihnen präsentierenden Masernbildern«. Die Masern seien ja leider »selten geworden«. Zur Erbauung schlägt die Mutter bei Rudolf Steiner nach: »Es gibt keine Möglichkeit, der Krankheit zu entkommen, wenn man die Gesundheit haben will. Jede Möglichkeit, sich gegen die äußeren Einflüsse stark zu machen, beruht auf der Möglichkeit, Krankheit zu haben, krank zu sein. So ist die Krankheit die Bedingung der Gesundheit.



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